Qualitätsmanagement (QM) hat seit Jahrzehnten das gleiche Problem: Es wird von vielen falsch verstanden. Statt als Motor für Verbesserungen wird es oft als Bürokratiemonster, Kostenstelle oder „Zertifikatsbeschaffung“ abgetan. Kein Wunder, dass sich rund um QM ein ganzer Strauß an QM-Mythen gebildet hat – manche uralt, manche ganz neu.
Zeit, das aufzuräumen. Hier sind die 12 größten QM-Mythen – erklärt, entlarvt und mit einem Blick darauf, woher sie überhaupt kommen.


1/12 QM-Mythen: „Qualität ist Aufgabe der QS-Abteilung.“
🔎 Woher der QM-Mythos kommt: Aus den 60er- und 70er-Jahren, als „Qualitätssicherung“ (QS) vor allem Endkontrolle bedeutete. Fehler wurden am Ende rausgezogen – und die QS war die letzte Verteidigungslinie.
❌ Warum falsch:
- Qualität entsteht im Prozess, nicht im Prüfstand.
- Einkauf, Entwicklung, Produktion, Logistik – alle tragen Verantwortung.
- QS kann nur begleiten, prüfen und coachen.
👉 Merke: QM ist gesamtunternehmerisch. Wer glaubt, QS allein macht’s, hat das Prinzip nicht verstanden.
2/12 QM-Mythen:„Ein Zertifikat = Qualität.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Weil ISO 9001-Zertifikate gern als Marketing-Label genutzt werden („Wir sind zertifiziert, also gut!“).
❌ Warum falsch:
- Zertifikat = System vorhanden.
- Qualität = System wird gelebt + Kunde ist zufrieden.
👉 Merke: Das Zertifikat ist Eintrittskarte, kein Pokal.

3. QM-Mythen: „QM ist nur Papierkram.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Frühe QM-Systeme (besonders in Deutschland) waren über dokumentiert, weil man alles „gerichtsfest“ aufschreiben wollte.
❌ Warum falsch:
- Ja, schlechtes QM erzeugt Papierfriedhöfe.
- Gutes QM reduziert Suchzeiten, schafft Klarheit, verhindert Doppelarbeit.
👉 Merke: QM ist Betriebssystem, nicht Ordner im Regal.

4. QM-Mythen: „Fehlerfreiheit = Qualität.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Aus der Luft- und Raumfahrt, wo „Zero Defects“ lange Zeit das Schlagwort war.
❌ Warum falsch:
- Fehler lassen sich nicht vollständig ausschließen.
- Qualität heißt: robuste Prozesse + systematischer Umgang mit Abweichungen + Kundenzufriedenheit.
👉 Merke: Qualität ist nicht fehlerfrei, sondern wertvoll.
5. „QM kostet nur Geld.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Weil QM-Aufwand sofort sichtbar ist, aber Nutzen oft indirekt (z. B. weniger Reklamationen).
❌ Warum falsch:
- Fehlerkosten sind immer höher als QM-Kosten.
- Reklamationen, Nacharbeit, Kundenverlust – unbezahlbar teuer.
👉 Merke: QM ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in Nachhaltigkeit.

6. „ISO 9001 schreibt vor, wie wir etwas machen müssen.“
🔎 Woher der Mythos kommt: aus Missverständnissen. Viele haben die Norm nie selbst gelesen, sondern nur „gehört“, dass sie alles bis ins Detail regelt.
❌ Warum falsch:
- Die Norm beschreibt das Was, nicht das Wie.
- Sie gibt Ziele vor, keine Methoden.
👉 Merke: ISO 9001 ist Rahmen, kein Käfig.

7. „Auditoren wollen uns erwischen.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Historisch haben manche Auditoren den „Sheriff“ gespielt – was die Angstkultur verstärkt hat.
❌ Warum falsch:
- Gute Auditoren sind Sparringspartner.
- Ziel: System verstehen, Verbesserungspotenzial aufzeigen.
👉 Merke: Ein Audit ist eine Chance, kein Verhör.
8. „Einmal eingeführt, läuft das QM-System von allein.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Beratungsfirmen verkaufen QM-Systeme oft wie „fertige Produkte“.
❌ Warum falsch:
- QM ist wie ein Garten: ohne Pflege verwildert es.
- Prozesse veralten, Verantwortlichkeiten verschwimmen.
👉 Merke: QM ist kontinuierliche Arbeit, kein One-Hit-Wonder.
9. „Kunden merken kleine Fehler nicht.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Kurzfristige Denkweise – wenn’s „irgendwie passt“, wird’s schon gehen.
❌ Warum falsch:
- Kunden merken alles – spätestens in Summe.
- Kleinigkeiten entscheiden über Vertrauen und Wiederkauf.
👉 Merke: Kleine Fehler sind wie Tropfen – sie höhlen das Vertrauen.

10. „Digitalisierung ersetzt QM.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Hype um Tools wie ERP, KI, Blockchain – als wäre Technik = Lösung.
❌ Warum falsch:
- Tools helfen, aber sie ersetzen nicht Denken, Verantwortung, Kultur.
- Digitalisierung ist Wie. QM ist Warum.
👉 Merke: Software ersetzt keine Haltung.
11. „QM strebt nach Perfektion.“
🔎 Woher der Mythos kommt: aus Marketing-Slogans wie „Qualität = Perfektion“. Klingt gut, ist aber gefährlich.
❌ Warum falsch:
- Perfektion = Stillstand.
- QM lebt von Bewegung und Verbesserung.
- Perfektion würde QM überflüssig machen.
👉 Merke: QM = besser werden, nicht perfekt sein. Stillstand ist der Tod.
12. „QM muss alles wissen.“
🔎 Woher der Mythos kommt: Weil QM-Abteilungen oft als „Sammelstelle“ für Dokumentation, Prozesse und Normen gesehen werden.
❌ Warum falsch:
- QM kennt Rahmen, Spielregeln, Toleranzen.
- Aber Fachwissen liegt bei den Fachbereichen.
- QM stellt sicher, dass Wissen dokumentiert, zugänglich und nachvollziehbar ist – nicht, dass es im Kopf des QMB steckt.
👉 Merke: QM ist Navi, nicht Fahrer.

Fazit: Mythen entzaubern – QM leben
Die meisten Mythen entstehen aus alten Gewohnheiten, Missverständnissen oder schlicht Bequemlichkeit. Aber sie sind gefährlich, weil sie QM in die falsche Ecke stellen: als Bürokratie, Kostenstelle oder Kontrollinstanz.
In Wahrheit ist QM Bewegung.
Es ist das Streben nach einem besseren Morgen, nach stabilen Prozessen, zufriedenen Kunden und lernenden Organisationen.
Perfektion? Illusion.
Allwissenheit? Unsinn.
Stillstand? Tod.
👉 Echte Qualität heißt: neugierig bleiben, verbessern, lernen – jeden Tag.
Ist ein ISO-9001-Zertifikat ein Qualitätsnachweis?
Es weist ein System nach – keine gelebte Exzellenz. Qualität zeigt sich in stabilen Prozessen, Kundenzufriedenheit und wirksamer Verbesserung.
Schreibt die ISO 9001 vor, wie Prozesse auszusehen haben?
Nein. Die Norm definiert Ziele und Nachweise, nicht die Methode. Prozesse sollten zum Kontext des Unternehmens passen.
Wollen Auditor:innen uns erwischen?
Gute Audits sind Sparring und liefern Impulse. Fokus liegt auf Wirksamkeit, nicht auf Bestrafung.
Strebt QM nach Perfektion?
Nein. QM strebt nach kontinuierlicher Verbesserung. Perfektion führt zu Stillstand; Verbesserung hält Organisationen lernfähig.
Muss die QM-Abteilung alles wissen?
QM kennt Rahmen, Regeln und Toleranzen. Fachwissen liegt in den Fachbereichen und wird dokumentiert, versioniert und zugänglich gemacht.